OK KIDZwei

Jonas Schubert, Moritz Rech und Raffael Kühle von OK KID haben die Snare noch immer am rechten Fleck: Im Herbst 2015 entfachten sie aus dem Nichts mit ihrer Single „Gute Menschen“ ein Lauffeuer. Das messerscharfe Statement, das bereits ein Jahr zuvor als Reaktion auf Pegida entstand, traf angesichts der nach wie vor aktuellen gesellschaftspolitischen Debatte um die Flüchtlingssituation genau den richtigen Nerv.

Die drei Ex-Gießener legten das bräunlich schimmernde Gedankengut sogenannter „besorgter (Wut-)Bürger“ frei, das sich nicht allzu selten unter dem Deckmantel der freien Meinungsäußerung zu tarnen versucht – jüngste Diskussionen um die AfD zeigen die anhaltende Aktualität des Lieds. Überzeichnet und mit Klischees jonglierend fand es die passenden Worte für doppelmoralisches Denken und Handeln und hielt einem jeden den Spiegel vors Gesicht. Schwere Kost, die man erst einmal verdauen musste.

Mit der Ode an das Lieblingsbandgetränk „Bombay Calling“ folgte dann Anfang 2016 ein bekömmlicher Absacker. Gleichzeitig fiel mit dieser Single der Startschuss für die Werbetrommel ihres neuen Albums „Zwei“, das neben Kritik an „Ja, aber“-Einstellung und subtiler Drogengenuss-Thematisierung noch weitaus mehr bietet. Denn die OK KIDs sind nach ihrem selbstbetitelten Debütalbum aus 2013 und der 2014er „Grundlos“-EP soundtechnisch gewachsen. Sänger Schubert macht schon im eröffnenden „Blüte Dieser Zeit“ klar, dass die Band stark im HipHop verwurzelt ist, was spätestens bei dem ballernden Beat vom Megaloh-Feature „5. Rad Am Wagen“ auch in Mark und Bein übergegangen sein sollte. Gleichzeitig kommen auch die von den Vorgängerplatten gewohnten elektronischen Klänge nicht zu kurz.

Wozu sollte man sich schließlich auf ein Genre festlegen, wenn man alles kann? Angesichts dieser Einstellung ist es keine große Überraschung, dass sich neben tiefergelegten Basslines auch poppiger Indierock auf dem Album wiederfindet. Für etwas mehr Verwunderung könnte vielleicht sorgen, dass sich die Jungs beim Song „U-Bahnstation“ Verstärkung von Die-Sterne-Sänger Frank Spilker geholt haben, obwohl sie laut eigener Aussage eher HipHop-beeinflusst sind und sich nicht unbedingt als Anhänger der Hamburger Schule bezeichnen würden (wobei sich auch Die Sterne selbst ungern dazugezählt haben). Trotzdem kann sich der Song passend in das Album einbetten, der rote Faden bleibt fransenlos.

Wie bereits auf den beiden Vorgängerwerken servieren OK KID schließlich warmen Kaffee und komplettieren damit die Trilogie: Bei „Kaffee Warm (Part 3)“ dient das aufgebrühte Getränk als Symbol für eine warmgehaltene Beziehung und ist angelehnt an den Roman „Sternstunden Der Bedeutungslosigkeit“ (2007) von Rocko Schamoni. Schubert bezeichnet sich selbst zwar noch immer als Idiot, aber eine Entwicklung ist sichtbar. Während es im ersten Teil noch „Und schon wieder dieses kopfzerfickende Gefühl, dieses: ich will nicht dass du weißt, dass ich nicht weiß was ich will“ hieß, ist nun „Ich will nur, dass du weißt, dass ich weiß, was ich will“ der Leitspruch. OK KID wissen, wer sie sind und wo sie stehen, auch wenn ein Ziel noch lange nicht in Sicht ist. Das Sich-nicht-festlegen-Wollen durchzieht ihr zweites Album dabei zwar wieder, allerdings nur insofern, als dass sie verschiedenste Stile miteinander vermischen. Das Besondere dabei: Alles klingt trotz teilweise neu aufgesuchter Gefilde sehr vertraut, ist klangbildlich und atmosphärisch in sich stimmig. Bleibt nur zu hoffen, dass OK KID auch in Zukunft weiterhin dem „sechsten Gin“ vertrauen, wenn es außer ihm niemand schafft, solche Songs zu schreiben.

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