The RangePotential

Youtube hat sich zu einer der Plattformen gemausert, auf der kleine Träume publik werden können und alle eine (minimale) Chance bekommen, gesehen und entdeckt zu werden. Viele dieser Träumenden verschwinden aber schon sehr schnell in der Masse an Videos im Nirgendwo und bleiben vergessen. Für den New Yorker James Hinton bedeuten gerade diese Untiefen ein kreatives Potenzial, das in den Ecken schlummert und entdeckt werden möchte. Mit Samples aus solchen Nischenclips erzählt er auf „Potential“ eine Geschichte des Internetzeitalters – ein Dokument, welches ein wirres Youtube-Universum ausbreitet, das so viel musikalische Stärke beinhaltet.

Die Kollaborationen auf „Potential“ sind nicht, wie auf anderen Dance-Alben gerne gesehen, namhafte Acts. Vielmehr handelt es sich um Amateur- oder unentdeckte MusikerInnen, die diese Stücke eigentlich erst formen und ihre Kraft ausmachen. Der Aufwand, sich durch die Vielzahl an Videos zu klicken und passende Vocalsamples herauszufiltern, war groß, doch hat The Range gefunden, was er braucht. Falls böse Zungen meinen, ein solcher Fokus allein auf Samples wäre eines Albums nicht wert und würde keine künstlerischen Ambitionen an den Tag legen, so werden sie hier zutiefst eines Besseren belehrt. Hinton erschafft zwar keinen rundum neuen Sound, aber beim Hören vibriert und prickelt die Luft wie selten.

Neben den unzähligen einzelnen Geschichten hinter den Gesichtern, die seinen zweiten Langspieler bereichern und ihm einen sehr humanen Charakter geben, ist es gerade der Zusammenhang zwischen ihnen, den The Range auf elegante musikalische Weise findet. Eine entstehende melancholische, fast schon verletzliche Stimmung gibt den Grundtenor an („Regular“), allerdings führt dieser nie in zu dunkle Abgründe oder lässt das Album in ein musikalisches Trauerspiel mutieren. „Florida“ beispielsweise strahlt nur so eine Wärme und positive Energie von innen heraus aus. Verschieden intonierte Claps, karibisches Flair, helles Gezupfe und eine hallige weibliche Stimme durchziehen den Track, die ersten frühlingshaften Sonnenstrahlen küssen uns wach.

Eine Mixtur aus HipHop, Dubstep, Grime, Jungle und auch poppige Elemente wird auf „Potential“ gestreift, die auf eine intime und familiäre Weise einnehmen. Neben Tracks, die beispielsweise trotz Pianoarrangements etwas herber und kräftiger im Sound und in den Vocals sind („Five Four“), reicht auch manchmal ein sakral anmutender, soundfrickeliger Song. „No Loss“ öffnet so spielerisch verschiedene Klangsphären, die sich in einem den kompletten Song umfassenden Crescendo und Decrescendo entfalten und eine schöne innere Spannung und Entspannung auslösen.

Genau diese Korrelation aus Spannung und Entspannung zieht in den Bann von „Potential“. In jedem Moment möchte man mit dem Hören schon eine Sekunde weiter sein, denn die Musik von The Range hat einen stetigen Antrieb, den man entdecken, aufsaugen und nicht mehr loslassen möchte.

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