DIÄTPositive Energy

Man muss nicht einmal ihre Musik hören, um zu vermuten, dass es sich bei DIÄT aus Berlin um keine typische deutsche Band handelt. Zum Einen steht mit „Blue Skies Over The Ocean“ ein Cover der Sydneyer Indiepop-Urgesteine The Cannames im Zentrum ihres Debütalbums, zudem stammt das Video zu „Hurricane“ von David West (Rat Columns) und ähnlich wie Letzterer zeitweise von Perth nach San Francisco übersiedelte, kommen in der Tat zwei der drei Gründungsmitglieder von DIÄT aus Australien. Mit „Positive Energy“ beweisen sie, dass sich auch in der Bundeshauptstadt Punk mit besten antipoden Qualitäten erschaffen lässt.

Spätestens beim trockenen Gesang von Chris Onton dürfte die Zuordnung fallen, wie sein Akzent die Vokale in „Toonie“ krümmt, aber auch wie er in die Songphasen hineinzuhallen versucht, in denen eine aufgequollene, verdichtend angeschlagene Gitarre ihn nicht übertönt. Es wirkt mehr bedrückend als mitreißend, wie sich die Saiten so im Garage-Sprint aufbäumen, auch wenn die mittlerweile zum Quartett angewachsene Band in engem Zusammenspiel schepprige Druckzonen erzeugen kann. Das Eröffnungsstück „Young And Successful“ erzielt seinen Einzwängungseffekt aber durchs das behäbige Voranschrammeln der Saiten über Christian Ifflands minimalistisch-robotischen Klöppeln, zu dem Onton mit ausdrucksvoller Apathie alltägliche Jobmonotonie beschreibt: „I work in customer service/ can’t get too worked up/ I have to look after my appearance […] Lace up your boots/ punch a hole in your timecard/ I’d love to stay but i’ve got an early start“.

Nicht die Perspektive oder auch Wortwahl sind dabei sonderlich originell, aber der freudlose Vortrag wird zunehmend beunruhigend, wenn die Musik unter beibehaltenem Tempo in graduell intensivierenden Anschlägen stoisch weiterschreitet, bis sie gen Ende den Rande eines Abgrunds hinunterzuhämmern scheint. Nach dem schnittigen Druck von DIÄTs erster Single und der gezügelten Niedergeschlagenheit ihrer zweiten gehen nun die acht neuen Songs auf „Positive Energy“ einen Mittelweg. Ihre Geschwindigkeit und Verdichtung wendet sich nicht nach außen, sondern wird wie in „Hurricane“ zum Druckmittel, das ein erschwertes Atmen bei Sauerstoffknappheit bewirkt. Statt eines Wetterphänomens thematisiert der Song jedoch Polizeigewalt, auch wenn man den Text gleichermaßen schwer ausmachen kann wie den von „Schadenfreude“, dem einzigen Song mit deutschem Titel.

Dass auch hier auf verbaler Ebene die englische Sprache den Ton angibt, ist wenig ausschlaggebend. Die ohnehin desorientierend gedoppelten und zeitgedehnten Vocals werden bedrängt, gar überdeckt vom Flattern eines kaputten Synthesizers, der vor allem die zweite Albumhälfte prägt. Eben dieser Grad an Selbstsabotage ist es dann auch, der mehr an Total Control oder Deaf Wish als an hiesige Bands denken lässt. Statt eines akustisch hervorgehobenen Songtextvortrags mit klarer Aussprache kommunizieren DIÄT lieber verbal Unverständliches. Wie sie dieses mit ihrem aufgeriebenen Spiel unbequem rahmen, ist schließlich das Mittel zum abgründigen Effekt.

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