ShamirRatchet

Las Vegas, Stadt der verlorenen Seelen: die amerikanische Metropole des überkandidelten Kapitalismus ist die Heimat des jungen Dancepunk-R’n‘B-Künstlers Shamir Bailey. Nahtlos an seine grandiose 2014er-EP anschließend sorgt er zurzeit für Aufsehen mit seinem Debütalbum „Ratchet” – wobei, aufsehenerregend ist wohl viel eher seine merkwürdig-sirenenhafte, aufregend unperfekte Stimme. Wunderbar androgyn erreicht er mit seinem Countertenor (das männliche Äquivalent zum Mezzosopran) faszinierende Höhen und Frequenzen, die man so selten gehört hat.

Es ist ein Album voller Schnipser, Claps und springenden Beats. Mit „Ratchet” kann Shamir die Lücke in allen geschundenen Herzen füllen, die James Murphy mit dem Ende von LCD Soundsystem hinterlassen hat. Die Dancepunk-Attitüde reicht er allerdings mit einer ordentlichen Portion Diva-Stolz an, die sich immer wieder in seinen Texten wiederfindet, wie in „On The Regular”: „Don’t try me, I’m not a free sample/ Step to me and you will be handled/ See, that’s my crown on the mantle/ And if you try to touch it, yes, there will be scandal.”

Besonders toll ist der Abwechslungsreichtum des Albums. Dancige, wummernde Beats werden in den Tracks von minimal instrumentierten Strecken abgelöst, die Mischung aus Chicago House, Electropunk, Disco und HipHop-R’n’B-Funk mischt die bekannten Songstrukturen immer mal wieder mächtig durch. Vergleiche kann man so einige ziehen, neben der LCD-Soundsystem-Referenz (man beachte vor allem die Kuhglocken, die immer wieder im Sounddesign auftauchen) ist da noch dieser allgegenwärtige Azealia-Banks-Eindruck, den „On The Regular” mit seinen bouncig-gummihaften Bassläufen erweckt. Auch sind „Hot Mess” und „Make A Scene” deutlich von HipHop- und Bodyrock-Sounds geprägt.

Ein großes Talent beweisen Shamir und sein Produzent Nick Sylvester bei den instrumentalen Dance-Teilen des Albums. In atmosphärischen Downtempo-Balladen wie „Demon” oder „Darker” finden sich loopende, hin und her schwirrende Stimmen, die von tief wummernden Bässen abgelöst werden. In „Demon” beweist Shamir – der übrigens erst zarte 20 Jahre alt ist – außerdem seine Songwriter-Künste: „If I’m a demon, baby/ You’re the beast that made me“.

Verwunderlich alleine, dass dieses Album auf XL Records erschienen ist – hätte es sich doch ganz wunderbar im Repertoire unser aller New Yorker Dancepunk-Lieblingslabels DFA gemacht.

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