TORRESSprinter

Mackenzie Scott legt nach ihrem Debüt vor zwei Jahren schnell nach und scheut sich auch weiterhin nicht vor Seelenstriptease und Schwermut. Ganz im Gegenteil: Auf „Sprinter“ greift sie die zuvor eher sporadisch eingestreuten Gedanken ohne Umschweife auf und rückt sie unübersehbar ins Zentrum des Albums. Ihre Jugend, die Kirche und vor allem die Adoption mit allen verbundenen Fragen und Selbstzweifeln sitzen wie ein unangenehmer, bohrender Stachel tief im Fleisch.

Kein Wunder also, dass „Sprinter“ auch musikalisch einen stark fragmentierten und irritierenden Eindruck erweckt. Sogar der markante Eröffnungssong „Strange Hellos“ steht exemplarisch hierfür. Gekürzt etliche Wochen vor dem Album als Single veröffentlicht, geht er sofort in die vollen und ist eine zwar nicht freundliche, aber zu jeder Zeit gefasste Indie-Rock-Hymne. Auf dem Album wird daraus durch das stolperende Intro ein fragiles Gebilde, das dazu prädestiniert ist, von wütenden Stakkatostürmen eingerissen zu werden.

Mit weiteren Ausbrüchen wie diesen geht „Sprinter“ ganz bewusst sehr sparsam um. Reflektion und Zurückhaltung bestimmen die Szenerie, immer umgeben von einem hartnäckig klaustrophobischen Gefühl. Fast scheint es so, als hadere Scott fortwährend mit ihrer Vergangenheit, doch hinter dieser Fassade verbirgt sich sicherlich mehr. Es ist ein behutsamer Versuch, die eigene Geschichte vollends zu erfassen, ohne sich dabei komplett von ihr distanzieren zu wollen und dies – der eigentliche Schlüssel ihrer Therapie – der Welt mitzuteilen. In „Ferris Wheel“ baut sich diese Zerrissenheit über geschlagene sieben Minuten auf, an deren Ende wirklich so etwas wie eine innere Reinigung stattgefunden zu haben scheint.

Dass sich Scott in dieser Rolle merklich wohl fühlt, ist auch darüber hinaus nicht zu überhören. Ihre Stimme heult wesentlich selbstbewusster auf als noch vor zwei Jahren, im Flickenteppich der verschiedenen Spielarten findet sich immer wieder Platz für etwas Neues (besonders auffällig ist hier die wirklich possierliche Synthie-Nummer „Cowboy Guilt“). Und nicht zuletzt zeigt „Sprinter“ trotz aller Ambivalenz in Klang und Wort letztendlich eine in sich ruhende und gereifte Persönlichkeit und auch Musikerin, die dabei ihre geographischen Wurzeln zwar kritisch beäugt, aber nicht verleumdet. Denn neben dem breit aufgestellten Ostküsten-Sound blinzelt hier und da vereinzelt, etwa in „New Skin“, immer noch ihre Heimat Nashville hervor, ohne deren Staub ein TORRES-Album nicht komplett wäre.

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