Warum ist es eigentlich so, dass beim Konsum von Musik jedweder Art immer eine Art Vergleichszwang einhergeht? Sätze wie „die Stimme klingt wie …“ und „wem xy gefällt, mag auch yx“ oder gar „das ist ganz klar von … abgekupfert“ sind nicht immer nur Rezensionshilfen, um den jeweiligen Künstler einzuordnen. Sie scheinen auch sofort eine Art Konkurrenz oder Wettbewerb zu schüren, schließlich hat ein jeder so seine Favoriten und wenn plötzlich Musik daher kommt, die nicht nur artverwandt, sondern am Ende gleich oder gar besser klingt, ist ein vorschnelles Urteil häufig vorprogrammiert. Auch Jessica Pratt könnte auf ihrem neuen Album in Nöte kommen, schimmert doch zum Beispiel die eine oder andere Nuance Joanna Newsoms oder Angel Olsens durch die sanften Kompositionen.

Schon früh setzt sich aber ihr unverwechselbares Timbre im Ohr fest, jene Mischung aus infantiler Unschuldigkeit und Naivität, die dem Album eine weiche, gefühlsselige Note verleiht. Gerade die ersten Momente von „Wrong Hand“ und „Game That I Play“ spielen mit einer Mischung aus träumerischer Melancholie und wohliger Intimität. Vergleiche zum freien und psychedelischen Folkverständnis der 70er-Jahre sind nicht von der Hand zu weisen und prompt fallen die nächsten Verweise, die wahlweise und je nach musikalischer Sozialisation Joni Mitchell oder Vashti Bunyan lauten könnten.

Im Laufe des Albums bekommt die windschiefe Gitarre gerne mal Zusatzinstrumente an die Hand, zuweilen entdeckt Pratt auch die eine oder andere rhythmische Varianz, wie das watteweiche Bossanova-Feeling im vorab vorgestellten „Back, Baby“ oder die kurze Entschleunigungsschleife in „Jacqueline In The Backyard“, wo für einen kurzen Moment aus dem jungen Mädchen eine erwachsene Frau geworden ist. Es sind aber vor allem die mit zarter Stimme vorgetragenen Melodien, die „On Your Own Love Again“ ausmachen. Sachte und behutsam, zuweilen auch leicht an den Akkorden vorbei, versprühen sie ein Flair von Wärme, Herzlichkeit und summender Frühlingsluft, wie sie auch den verstiegenen Liedern einer Sibylle Baier oder einer Linda Perhacs nicht unähnlich sind.

Jetzt verströmt Pratt auf „On Your Own Love Again“ neben aller Undurchdringlichkeit zudem eine Art Intimität, wie sie zuletzt vor allem bei Mirel Wagner offenkundig wurde. Durchziehen dort allerdings eher dunkle Gedankenschwaden die kargen Kompositionen, lässt Pratt deutlich mehr Lichtstrahlen hinein. Sie erinnert sich zwar auch an düsterere Stunden, zieht dazu die Vorhänge aber eher auf und lässt die entstehenden Bilder wie einen pastellfarbenen Tagtraum ins Bewußtsein fließen. Gerade im pendelnden „Strange Melody“ stolpert die Gitarre wie flackernder Lichtstaub ins gedankliche Nirgendwo und hebt so die Schwere der besungenen Bilder auf.

„On Your Own Love Again“ hätte aufgrund aller Vergleichbarkeit ein heiteres Zitateraten werden können, dessen sich die Künstlerin in diversen Interviews deutlich verwehrt hatte. Nun ist das Album aber eher zu einer dichten Einheit geworden, deren Versatzstücke nicht von ungefähr an viele der aufgezählten Sängerinnen erinnern. Doch genau diese Momente lassen auf ein tiefes Musikverständnis der Künstlerin schließen, gelingt ihr doch mit „On Your Own Love Again“ ein zeitloses Kleinod, das nun selbst zur Referenz werden kann.

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