Variatio delectat – Abwechslung erfreut. So sehr man sich an die durch Zeitgeist und Trend, Gewohnheit und Kontinuität oder Diktat und Verkaufszahlen beeinflussten musikalischen Genres gewöhnen kann, so sehr sehnt man sich von Zeit zu Zeit nach den kleinen Nischen, die fernab der bewussten Ströme ihr Eigenleben führen. Irgendwann reizt ein geigendurchwirktes Softpopirgendwas höchstens noch mit dem unvermeidlichen Schmier des aktuell ebenso unvermeidlichen angejazzten Saxophon; doch was tun, wenn selbst dieser Reiz verfliegt? Wir schauen mal über den Tellerrand und fangen noch mal ganz von vorne an.

Ob es nun unbedingt die 20er-Jahre sein müssen, in denen die unterhaltende Musik schließlich abseits der Ballsäle und Varietés, Jazzkneipen und Hafenbars nur eine untergeordnete Rolle gespielt hatte, sei dahin gestellt, doch C.W. Stoneking liefert auf seinem dritten Album „Gon‘ Boogaloo“ genügend Beweggründe, auch mal ein bisschen im Verborgenen zu fischen. Schon auf den vorangegangen Werken konnte der Australier mit der uralten Stimme unbedingt überzeugen, gerade weil er sich einen Dreck um Geschmack und Mode schert und seine schmutzigen Blues- und Jazzvariationen mit echter Leidenschaft vorträgt. War sein letzter „Jungle Blues“ ein kerniger Aufgalopp, erweitert der Australier auf „Gon‘ Boogaloo“ Themen und Motive deutlich um putzige Singalongs und quietschfidele Reels, die die vergilbte Szenerie in farbenfroheres Licht tauchen.

Überhaupt hat Stoneking, der auf Fotos gut den bösen Brüder Max Raabes geben könnte, sein Spektrum ein wenig ausgebreitet. So spielen die kecken Calypso-Rhythmen der Vorgänger zwar immer noch eine Rolle, werden aber durch kraftvolle Verweise auf Boogie-Woogie und Rhythm’n’Blues, dem „Boogaloo“, hervorragend unterstützt. Die Stimme aber ist geblieben, diese verblichene Variante einer Tom-Waits-Karikatur, der man eine unglaubliche Lebenserfahrung anhören möchte. Mit eben dieser Stimme geht er mal ganz nach innen und lässt „The Zombie“ durch die Sümpfe des Kongos torkeln, zumeist gibt er sich aber eher dem vergnügten Zwiegespräch mit seinem Begleitchor hin und lässt wie bei „We Gon‘ Boogaloo“ oder dem fröhlichen „Good Luck Charm“ die Puppen tanzen.

Stoneking ist dabei rhythmusgetrieben und ordnet Stimme und Stimmung dem Diktat seiner Gitarre unter, jedoch immer nur so viel, wie es seine zumeist augenzwinkernden Texte hergeben. Die Atmosphäre, die sich dadurch entwickelt, ist so wandelbar wie die Stücke selbst und sicherlich auch der antiquierten, über Raummikrophone live vorgenommenen Aufnahme geschuldet. Vom heißen Australien in die Sümpfe des amerikanischen Südens, in die Spelunken und Kaschemmen der Hafenstädte oder auch einfach an der nächsten Straßenecke, Stoneking beherrscht sein Metier und hebt sich dabei wohltuend vom Zeitgeist ab. Das kann man dem noch am ehesten artverwandten Nick Waterhouse zwar auch attestieren, die Verve, mit welcher der Australier aber auf „Gon‘ Boogaloo“ zu Werke geht, ist schier beeindruckend.

Nicht ohne das wunderbare „The Thing I Done“ unerwähnt zu lassen, ist „Gon‘ Boogaloo“ momentan eine bestmögliche Idee, sich mal mit den vielen musikalischen Nischen zu befassen, die abseits der ausgetretenen Chartspfade locken. Wem das noch nicht reicht, sollte den Vorgängerwerken mindestens das gleiche Ohr leihen, oder eben doch wieder mit „Dias Del Morte“-Schminke durch die Strassen der Metropolen ziehen.

3 Kommentare zu “C.W. Stoneking – Gon‘ Boogaloo”

  1. Kaverin sagt:

    Besten Dank für die hervorragende Besprechung der neuen Arbeit dieses australischen Phänomens. Nur schade, dass man CW Stoneking in der Nische ansiedeln muss. Die Kraft seiner Musik könnte auch breitere Kreise berühren, trotz aller „Antiquiertheit“

  2. Carl Ackfeld sagt:

    So viele nette Worte. Ein ebenso herzliches Danke dafür zurück. Und das mit der Nische kann, wohlgemerkt kann auch Chance genug sein. So können wir uns freuen, ihn ein bisschen mehr für uns zu haben.

  3. Kaverin sagt:

    Damit hast Du eigentlich auch recht. Herzliche Grüße, K.

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