TweedySukierae

Ursprünglich sollte „Sukierae“ das erste Soloalbum des Wilco-Chefs Jeff Tweedy werden, stattdessen prangt nun lediglich der Familienname auf dem Albumcover. Denn aus dem Ein-Mann-Projekt wurde eine Vater-Sohn-Band, mit der Jeff und Spencer Tweedy am Schlagzeug gleichzeitig einen schweren Schicksalsschlag verarbeiten.

Während des Schreib- und Aufnahmeprozesses zu dem Doppelalbum Anfang des Jahres wurde bei Sue Miller – Jeffs Ehefrau und Spencers Mutter – erneut Krebs diagnostiziert. Obwohl dieses dramatische Ereignis auf „Sukierae“ nie explizit thematisiert wird, hat es die 20 Songs über Liebe, aber eben auch Vergänglichkeit und Verlust zweifelsohne beeinflusst. So leitet sich der Albumtitel von Sues Kosenamen aus Kindertagen ab und im schlichten, aber wunderschönen „New Moon“ besingt Jeff seine Liebe zu ihr: „Well I’ve always been certain nearly all of my life/ One day I would be your burden and you’d be my wife.“ Beklemmender klingt dagegen „Where My Love“, wenn Jeff – zunächst nur von einem Klavier begleitet – eine gemeinsame Zukunft beschwört, die plötzlich in Gefahr scheint: „I want to watch you growing old and dumb/ I want to see what you and I become.“

Nach einer etwas turbulenten ersten Phase mit zahllosen Mitgliederwechseln spielen Wilco nun seit zehn Jahren und drei Alben in konstanter Besetzung zusammen, weshalb Jeff die Vorstellung reizte, ohne die kongenialen Kollegen wie Gitarrist Nels Cline oder den Ausnahme-Schlagzeuger Glenn Kotche aufzunehmen und die meisten Instrumente selbst einzuspielen, um so die eigene Komfortzone zu verlassen. Dass er sich außerdem auf beinahe jedem Song von seinem 18 Jahre alten Sohn begleiten lässt, könnte man außerdem als Versuch verstehen, mit Hilfe jugendlicher Energie der Musik die Gemütlichkeit auszutreiben, die zuletzt vor allem bei „Wilco (The Album)“ ein wenig das Hörvergnügen trübte.

Doch auch wenn der ungestüme Eröffnungssong „Please Don’t Let Me Be So Understood“ mit seinem wütenden Gitarrenriff sowie dem rumpligen Schlagzeug und wenig später „Diamond Light Pt. 1“, bei dem Spencer die ruhige Gesangslinie seines Vaters mit einem nervös galoppierenden Beat unterlegt, diese These zu bestätigen scheinen, trügt der erste Eindruck. Meist agieren Tweedy hier mit der gleichen zurückgelehnten Gelassenheit, die bereits Wilco auf ihren letzten Alben ausstrahlten, auch sonst unterscheidet sich die Musik nicht grundlegend von Jeffs Hauptband. Die Arrangements sind im direkten Vergleich etwas reduzierter, Songs wie „Down From Above“ oder „World Away“ fokussieren sich stark auf Gitarre und Drums, der etwas rohere Sound erinnert manchmal eher an einen Proberaum als ein Studio.

Wie bei vielen Doppelalben hat man auch bei „Sukierae“ das Gefühl, dass eine etwas strengere Selektion der Songs aus einem guten Werk ein sehr gutes gemacht hätte – vor allem, da die zweite Hälfte ruhiger ausfällt und so die Spannungskurve etwas verflacht. Andererseits fällt es schwer, einen weniger guten oder gar überflüssigen Song zu benennen und trotz der etwas langen Spieldauer ist es eine Freude, diesem sympathischen Familienprojekt zu lauschen, das trotz der leicht bedrückenden Thematik so viel Wärme und Spielwitz versprüht: „Nobody says goodbye, but everybody goes home/ We end the day sober, to a depth we don’t own.”

Ein Kommentar zu “Tweedy – Sukierae”

  1. Vinnie sagt:

    Im „Tiny Desk“-Plattenladen gaben Vater und Sohn in einem ganz wunderbaren und intimen Kurzkonzert 3 Stücke zum Besten.

    Hier zu sehen:
    http://www.npr.org/event/music/350594224/tweedy-tiny-desk-concert?autoplay=true

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