Was macht man mit einem Album, dessen Zutaten auf dem Papier eigentlich fulminant den eigenen Musikgeschmack widerspiegeln, das aufgrund des in der Presse gefeierten Vorgängers die Erwartungshaltung in höchste Höhen geschraubt hat und überdies mit einer Reihe an Referenzen und Gästen vorstellig wird, die einem im Normalfall den Kopf verdrehen würden – und das dann beim ersten Hören so unfassbar belanglos daherkommt, dass man sich tatsächlich fragt, ob man denn nun die richtigen Stücke zu Gehör bekommen hat?

Cold Specks‘ Zweitling „Neuroplasticity“ war so ein Fall. Vollmundig in der Presse und der Sängerin selbst immer mal wieder als „Doom Soul“ gefeiert, sorgten die ersten Klänge von „A Broken Memory“ und „Bodies At Bay“ eher für Schulterzucken. Klang es doch irgendwie so ein wenig nach PJ Harvey, nur ohne deren Zorn, oder eben nach Anna Calvi ohne deren Pathos. Irgendetwas fehlte also und selbst die Info, dass sich der allmächtige Michael Gira den Gegenbesuch nach Al Spx‘ Beitrag auf „To Be Kind“ angetreten hatte, konnte noch nicht vollends für Zufriedenheit sorgen.

Doch dann taucht am Ende „A Season Of Doubt“ auf. Ein intimes Kammerspiel, voll von tosenden Emotionen, das nur wenig instrumentalisiertes Brimborium nutzen muss, um ausreichend Angst und Schrecken zu verbreiten. Allein schon die sehnsüchtelnde Trompete von Ambrose Akinmusire versprüht genügend Anmut, dass man sich am Ende dabei erwischt, vollends entrückt die Gedanken schweifen haben zu lassen. Schon überlegt man, diesem Album, dem man nach den ersten zwei, drei Stücken nur noch als genügende Geräuschkulisse gelauscht hat, einen neuen Durchgang zu gönnen. So hört man auf einmal die lärmigen Zwischentöne, die aus „Old Knives“ ein widerborstiges angejazztes Biest machen; Michael Giras brummenden Background in „Exit Plan“, welcher der entrückten Stimme von Al Spx gar ein wenig Wärme an die Hand gibt; und schließlich im ätherisch startenden „Let Loose The Dogs“, wie die Sängerin die Stärke ihrer Stimme vollends wiedergefunden hat und plötzlich wieder diese ungewöhnliche Qualität besitzt, uralt und blutjung zugleich zu klingen.

„Neuroplasticity“ schafft es im Endeffekt gerade noch so, die Kurve zu kriegen, um nicht im Mittelmaß zu versinken. Die Songs bieten zwar viele Berührungspunkte, verlieren sich aber auch in ihren Einzelteilen, ohne Kennzeichen zu setzen. Nicht immer reißt es dann die Musikalität ihrer Sängerin noch raus, manchmal versandet die Idee des Songs wie in „Living Signs“, das mit einer knackigen Bassfigur eröffnet, sich dann aber in fast schon konventionelle Popmuster auflöst. Vielleicht scheitert Cold Specks gerade so ein wenig am Zeitgeschmack und „Neuroplasticity“ wäre bei einer Veröffentlichung im späteren Herbst oder gar Winter besser weggekommen. So bleibt es zu guter Letzt bei einem ordentlichen Album mit krönendem Abschluss.

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