Schon die ersten Sekunden machen unmissverständlich klar, dass der Motor, der dieses Werk antreibt, herrlich unrund läuft: Ein nebelumwobener Beat, durch einen Auffahrunfall leicht lädiert, lässt den Hörer in das Zweitwerk von Shabazz Palaces genüsslich hineineiern. Eine verhallt-distanzierte Stimme gesellt sich dazu und faselt etwas von „focus the light“, wobei man durch das Dickicht nicht im Entferntesten hindurchlinsen kann und das Fokussieren bei dem völligen Zerfließen der Ränder Anforderungen stellt, die selbst im Standbild-Modus zu hoch wären. „Dawn In Luxor“ heißt diese erste Visitenkarte, die in völliger Narkotisierung jeglichem juvenilen Hedonismus abschwört, den man sonst so häufig hört. Willkommen am anderen Ende der HipHop-Welt.

Wenn „Black Up“, das erste Album des Westküstenduos, als krude und verkopft gelten kann, dann sind nun neue Maßstäbe fällig. Düster und oftmals auch bar jeglicher Konkretion oszillieren Shabazz Palaces durch die Musikgeschichte: Von Cloudrap und non-systemischer Psychedelik bis hin zu Pop, der in seiner langweiligen Realität mit Eimern voll Pech einen neuen Anstrich erhält. So kommt es auch fast plausibel daher, dass ein verwinkelter Schachzug von einem Track wie „Forerunner Foray“ zur Single ausgekoppelt wurde – ein asynchrones Konstrukt aus überdehnten Vocals, kleinteilig rasselnden Beats, entspanntem Bass und Zeitreisen-Raps über das MC-Leben in den 90ern. Wobei man sich da auch nicht ganz sicher sein kann, so bröckchenförmig werden Worte und Referenzen, Slangbegriffe und Abkürzungen durch die Luft geschossen und fügen sich nur selten zu einem nachvollziehbaren, verständlichen Ganzen.

Textlich scheint es eher so, als habe ein Dreijähriger recht willkürlich mit den kleinen Wortmagneten am Kühlschrank gespielt und abstrakte Poesie der Zukunft geschaffen, die in der (Re-)Konstruktion durch den Rezipienten neue Bedeutungstiefen erfährt. Randoooom. Die Grenzen von Intelligenz und der Projektion von Intelligenz sind dabei fließend, wobei es festzuhalten gilt, dass es geradezu erstaunlich ist, wie weit sich Ishmael Butler von seinen 90er-Jahre-Entwürfen (damals noch bei Digable Planets) entfernt hat und wie sehr Beatmeister Tendai Maraire ihn auch textlich zu stimulieren vermag. Textprobe gefällig? „Sanity, a visage of my wealth/ Lost but always found before the idols that I’ve knelt/ Strategy, the only way to cry/ Keep it do or die and always think in terms of  I/ Reverie, some legend futures past/ Revelry, instead for it renders hella fast/ Capitol, a sound that’s on the rise/ It’s slaking unrealized until essence has been razed/ Sepulcher, a stage enlived by ghosts/ Floating off with bags of the blood encrusted dough.”

Die Emergenz der Bewusstseinsströme verknotet sich mit einem Gestus der Reflektion: Kulturelle Errungenschaften, Religion und soziale Systeme sind dabei nur einige der Themen des Albums, das gerne auch ins Dadaistische („#CAKE“) abschweift. Ishmael ist dabei weit entfernt von didaktischer Betulichkeit, wenn er über politische Mechanismen rappt („Dawn In Luxor“) oder von Abwertung anderer, wenn er mit spiritueller Aufladung im sensationellen „Ishmael“ hantiert, dessen fast jazziger Untersatz eine neue Facette aufwirft.

Fast ohne Orientierung und rot getünchten Leitfaden wird hier ein musikalisches Netz gesponnen, das liebend gerne kosmische Querschläger zulässt. „Lese Majesty“ ist ein unsteter Haufen an Beats, instrumentalem Geröll und verbogenen Samples, der nur unzulänglich von groovenden Bässen und kickenden Beats zusammengehalten wird – und jeden Moment auseinanderzubersten droht. Flying Lotus wirkt im Gegensatz dazu geradezu gemütlich. Aufgrund der oftmals nahtlosen Übergänge erscheint das Album jedoch trotzdem wie im Fluss, wie ein zäher Synthetikbrei aus intergalaktischen Gespinsten und waberndem Instrumentalplasma („Suspicion Of A Shape“). So entsteht beiläufig ein hypnotischer Sog aus Illusionen und Konnotationen, der immer kurz davor ist, sich selbst ad absurdum zu führen oder sich direkt aufzulösen. Es geraten Versatzstücke von Oldskool, Trap, Early Electronics, Rock und Leftfield-Beats in den großen Mahlstrom und werden genüsslich gemörsert, verrauscht, verschachtelt, bis nur noch eine ästhetische Vibration übrig bleibt, deren Ursprünge aber kaum mehr als Erinnerungsspuren wahrgenommen werden können. Man höre zum Beweis die Spannbreite zwischen dem irrwitzigen „Harem Aria“ und dem gezähmten Highlight „Motion Sickness“. Im ausgestellten Wahnsinn sind Shabazz Palaces ihre eigene Referenz.

Entsprechend sind nicht nur die stolpernden Synkopen oftmals die passenden Hürden für den Hörer, der hier auf eine bisweilen anspruchsvolle Entdeckungstour gehen muss. Dieses Werk lässt sich in seiner Komplexität bestenfalls in voller Länge erfassen; fast das gesamte Album scheint als Hindernisparcours generalstabsmäßig geplant. Der Disparität liegt ein strenges Formbewusstsein zugrunde, das HipHop im Zustand der Auflösung abbilden will. Einer Eindeutigkeit wird hier höhnisch entsagt. „This is all a dance show – Dance, Sucka!“, rappt Ishmael dabei aus dem Hintergrund. Und grinst dabei mehr als breit.

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