FenneszBécs

Versteckte Songs, dröhnende Klanglawinen, sprunghafte Stimmungsprognosen und mit Ablenkungsmanövern bestückte Harmonien. „Bécs“ macht es dem Hörer nicht einfach und lässt ihn zwischen Ungewissheit, Spannung und Hoffnung taumeln.

Sieben Tracks, die unantastbar und doch ganz nah erscheinen. Ist das nun genial oder einfach nur absurd? Vielleicht beides. Diese Musik reißt viele Stimmungen an und macht ihren Hörer dadurch wirr. Dieser Soundmus – meisten ist es einfach ein Mus, klare Töne findet man eher selten – wäscht die Ohren durch und bleibt aufgrund der Dickflüssigkeit kleben. Das ist nicht immer angenehm, der Hörer wird wirr gespielt, verschiedene Stimmungen werden angerissen, man wird beflügelt und fallen gelassen. Die Musik muss verstanden werden, ob sie das will, ist eine andere Frage. Dem Sinn auf die Schliche zu kommen, entpuppt sich als komplexe Reise durch eine eher unpopuläre Musikwelt und ist am ehesten zu ergründen, schaut man sich einmal den Mann hinter dem Projekt an.

Christian Fennesz ist sein Name, er kommt aus Wien und erlangte 2001 mit seinem Album „Endless Summer“ größere Bekanntheit. Die Platte erschien auf Mego, zwischenzeitlich wechselte er das Label und kehrte nun für eine Art Fortsetzungsalbum wieder dahin zurück. Mit Mego besteht eine große Verbindung und Freundschaft, so wollte Fennesz dort schon länger eine derartige Platte veröffentlichen, durch Probleme bei dem Wiener Label selbst ging das aber nicht. Nachdem es jedoch als Editions Mego wieder aktiv wurde, bot sich die Gelegenheit zum Nachholen. Fennesz hat trotzdem einige Zeit verstreichen lassen, sein letztes Solowerk liegt immerhin sechs Jahre zurück. Zwischendurch spielte er in Kollaborationen mit Sparklehorse, Jim O’Rourke und Mego-Labelchef Peter Rehberg, kreierte Remixe und Filmmusik. „Bécs“ knüpft nun an alte Mego-Zeiten an – inbesondere an „Endless Summer“. Die Stücke sind wieder etwas weniger Drone-lastig und songorientierter, wobei man Fenneszs Art von Songs kennen sollte, um zu wissen, was damit gemeint ist. Sie sind ein eigener Kosmos, selbst Fennesz gesteht ein, dass man den Song im Track suchen muss. Oftmals bestehen sie aus Loops oder typischen Pop-Soundmustern, durch Filter- und Verfremdungselemente, E-Gitarre und andere Ablenkungsmanöver werden diese aber nicht ganz so auffällig.

Der Hörer fühlt sich wie in einer surrealen Welt, in der sich der Himmel lila färbt, Regentropfen mit Sonnenstrahlen verschmelzen, Gewitterwolken über den Horizont kreisen, um es dann Leuchtkugeln grieseln zu lassen. Es klingt nach Poesie, düsterer Poesie, mit Elementen aus Punk, Noise und Rock. Die E-Gitarre ist auffallend vordergründig, manchmal klar, oft verzerrt. Einmal sprengt sie den Fluss, ein andermal ist sie versöhnlich. „Bécs“ führt durch verschiedene Spannungen und Stimmungen, immer im Bewusstsein darüber, dass nichts halten muss, aber gerne darf. So wird aufgelöst und zusammengeführt, gesprengt und erbaut. In den besten Momenten ist die Musik trotz ihres lawinenförmigen Rauschens zart und mit einer Leichtigkeit bestückt („Static Kings“, „Liminality“). Zum Ende streichelt „Paroles“ sogar ganz sanft übers Belohnungszentrum und lässt uns eine Vision davon, wie Hoffnung klingen könnte.

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum