Der Anfang klingt nach Performance im U-Bahn-Tunnel. Erst Gerausche und Geräusche, dann der Gesang mit verträumtem Halleffekt, ein Glockenspiel im Hintergrund und eine ruhige Basslinie. Mehr und mehr brechen Noise-Elemente die Stimmung auf und „Would You Stay“ baut sich langsam zu seinem verschwurbelten Höhepunkt auf, bis plötzlich nur noch der Tunnel und das Glockenspiel übrig bleiben und in das kurze Soundexperiment „Suspicion Is No Condition“ münden.

Experimentell war das Quartett Electric Ocean People aus Hamburg schon auf seinen ersten EPs „…for the wired youth“ und „Concrete & Machines“ von 2010. Letztere sicherte ihnen einen Supportslot bei Esben And The Witch, eine durchaus beachtliche Referenz im Electronica der späten 00er-Jahre. „Concrete & Machines“ kam damals am Merchstand als kleines Gesamtkunstwerk daher: Für die CD-Hülle gab es eine weitere Verpackung mit aufwendigem Artwork und Schleifchen. Was für Liebhaber also, die scheinen Electric Ocean People auch auf ihrer Seite zu haben: „Foam“, das wie schon das selbstproduzierte Debütalbum „Belly Of A Whale“ beim eigenen Label und Musikerkollektiv brutkasten erscheint, wird nach einem erfolgreichen Crowdfunding auch als Vinyl gepresst. Selbstgemachte Musik in jeder Hinsicht. Vom Feinsten.

Mit ihrem arkadischen Sound liegen Electric Ocean People auf „Foam“ irgendwo zwischen Dream- und Noisepop, Electronica und Weltmusik – wobei das Letzte durchaus positiv gemeint ist. Es frickelt und rauscht und wummert von Zeit zu Zeit, während an anderer Stelle besagte Geräusche den Ton angeben. Oft sind die Übergänge fließend und leiten von einer Klangwelt in die nächste, das Album ist am besten an einem Stück zu hören und vor allem mehrmals, um die Detailverliebtheit der Musik wirklich zu entdecken. Eine Grundstruktur der Songs lässt sich meistens nicht genau bestimmen, sie fließen und klingen vor sich hin und werden vor allem durch die Stimme von Sängerin Julia getragen. Zwischen all den Verschwurbelungen, Rhythmuswechseln und Versatzstücken ist sie die ruhige und beruhigende Konstante. Gleichzeitig wird sie aber ebenso zum Instrument, wenn sich zum Beispiel in „Borroughs“ der gehauchte Titel in die Ambientästhetik der Musik einfügt, bevor zum Schluss nur eine Frage übrigbleibt: „How soon?“

Wer Electric Ocean People hört, muss unweigerlich an die geografischen wie musikalischen Nachbarn Hundreds denken. Sie selbst vergleichen sich außerdem mit The Notwist, Björk und Efterklang, was auch nicht zu leugnen ist. Auf mehreren Ebenen spielen die Vocals in verschiedenen Tonlagen miteinander, der Bass hat einen vertrauten, ruhigen Grundtonus, es klingelt an allen Ecken und Enden. An Hundreds erinnern auch die Stimmungsschwankungen zwischen hellen, fröhlichen Sounds und melancholisch düsteren Songs: „Ulysse“ klingt nach Entspannung an einem sonnigen Nachmittag auf der Terrasse, bis man dann bei „Squared“ von einer mittelschweren Basswand erschlagen wird und ein düsterer Sturm aufzieht. „Do you know somebody who drinks me down?“, fragt Julia zum Schluss und leitet über in den Song mit dem vielsagenden Titel „Televangelist“. Der wiederum bringt wieder mehr Pop statt Noise, einen melodischen Refrain und treibende Rhythmen ins Spiel. Electric Ocean People geben sich auf „Foam“ also gewohnt experimentierfreudig und schaffen so ein spannendes, abwechslungsreiches und hörenswertes Album.

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