Wild BeastsPresent Tense

Bei allem über den Promozettel verbreiteten Wissen von Auszeit und Neuanfang: Das Tolle am neuen Album von Wild Beasts ist, dass es genauso klingt, wie man sich den Nachfolger von „Smother“ insgeheim erhofft hatte. Die Band scheint bei aller formalen Lust zur Weiterentwicklung ihren Sound gefunden zu haben.

Das hängt natürlich zu großen Teilen mit dem fantastischen Gesangsduo Hayden Thorpe und Tom Flemming zusammen, welches das Spannungsfeld zwischen Falsett und Bariton hier besser denn je ausspielt. Aber auch sonst haben die vier Dandys aus Kendal über die Jahre ein paar Alleinstellungsmerkmale herausgearbeitet, die dem alten Prinzip Jungsband mehr abringen, als man ihm unter Umständen noch zugetraut hätte.

Wild Beasts klingen im besten Sinne metrosexuell. Die lüstern aufgeladene Atmosphäre ihrer Alben hat etwas herrlich Uneindeutiges. Die Gitarren, die zu Beginn ihrer Karierre noch vage Assoziationen zu The Smiths weckten, wurden als rockistisches Artefakt mit jeder Platte mehr in den Hintergrund gedrängt. Detail- und Experimentierfreude verkommt bei dieser Band nie zum autistischen Fricklertum oder checkerhafter Innovationswut.

Wie schon sein Vorgänger ist „Present Tense“ kein Album, das sich sofort und über großes Spektakel erschließt. „Don’t confuse me with someone who gives a fuck“ – wo der Eröffnungssong „Wanderlust“ noch ein ungewohntes Ausrufungszeichen setzt, mit grollenden Synthies und leiernden Samples die Marschrichtung vorgibt, pirscht sich der überwiegende Teil der anderen Stücke eher dezent heran. Das in Matthew-Herbert-Manier gesampelte Umgebungsgeräusche zum klapprigen Geisterbahnsoundtrack vermengende „Daughters“ liefert zwar noch einmal einen genaueren Eindruck davon, wohin der neue „experimentelle“ Ansatz die Band hätte führen können, in der Mehrheit sind es jedoch klassische Wild-Beasts-Momente, die „Present Tense“ auszeichnen. Es sind diese seltsamen Schwebezustände, die die Gruppe wie keine zweite zu vertonen weiß. „Sweet Spot“ verortet sie mit verheißungsvoll glimmender Gitarre und dumpf-resigniertem Elektrobeat irgendwo zwischen Traum und Realität, Schmerz und Ekstase. „A Simple Beautiful Truth“ hingegen glänzt mit spielerischem Leichtfuß und tänzelndem Duett, „Mecca“ schließlich gehört mit seiner kraftvoll ausholenden Melodie zu den bis dato ausgereiftesten Wild-Beasts-Stücken überhaupt.

Klammheimlich und über die lange Distanz schlich sich „Smother“ vor drei Jahren zu meinem persönlichen Album des Jahres. Ohne daher voreilige Schlüsse ziehen zu wollen: „Present Tense“ scheint kaum schwächer zu sein.

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