Interview: Me And My Drummer


Würde man versuchen, die Künstler aus dem Umfeld des Labels Sinnbus auf einen Nenner zu bringen, hieße der vielleicht: Melancholie mit Popularitätspotenzial. Mit Me And My Drummer hat sich die Berliner Plattenfirma ein Duo ins Boot geholt, das da offenbar keine Ausnahme ist: Auf der aktuellen Tour spielen Matze Prollöchs (21) und Charlotte Brandi (26) als Support von Labelkollege Einar Stray schon jetzt vor ausverkauften Reihen – obwohl das Debüt erst im Mai zu erwarten ist. Wir haben die beiden in Dortmund getroffen.

AUFTOUREN: Eine beliebte Frage an junge Künstler: In welcher Position seht ihr euch auf dem im großen Wandel begriffenen Musikmarkt?
Matze: Wir können die Vorteile, sprich: das Internet, total nutzen. Trotzdem sind wir auch in der Situation, sehr sehr viel in eine Albumproduktion zu investieren. Man kann nicht wirklich damit rechnen, dass man mit der CD selbst irgendwann Geld verdient. Wenn’s super gut läuft, kann das natürlich irgendwann sein, aber dafür muss es eben auch wirklich wirklich super gut laufen.

AUFTOUREN: Charlotte, deine Stimme hört sich ziemlich trainiert an … Habt ihr auch in eine Ausbildung investiert? Wie lange macht ihr schon Musik?
Charlotte: Eh, ich hab keine Ausbildung … Also Klavierspielen hab ich mir beigebracht, als ich fünf war. Deswegen bin ich da auch relativ limitiert, was mich beizeiten sehr ärgert und was ich auch im Begriff bin, zu ändern. Songs schreibe ich seit ich 14 bin und Gesangsunterricht hatte ich hier und da, aber das ist alles mehr oder weniger an mir abgeprallt.
Matze: Ich hatte jahrelang Unterricht eigentlich, aber inzwischen nicht mehr. Also wir sind beide keine studierten Musiker.

AUFTOUREN: Charlotte, du kommst aus Dortmund, hast dann in Köln gelebt. In Tübingen hast du bei einer Theaterproduktion als Stage-Musikerin Matze kennengelernt, jetzt wohnt ihr in Berlin – ihr seid also ein bisschen rumgekommen und könnt mir sicher erzählen, wie zufrieden ihr mit der deutschen Independent-Musikszene seid …
Charlotte: Sind wir in der Position, zufrieden oder unzufrieden mit der Szene zu sein?
Matze: Es herrscht immer der Vergleich mit den Bands, die aus England und Skandinavien kommen und zugegebenermaßen haben wir deutschen Bands schon Probleme, dagegen anzukommen. Es kommt wenig wirklich Gutes aus Deutschland, hat aber auch im internationalen Vergleich aus vielen Gründen weniger Chancen, überhaupt so wahrgenommen zu werden …
Charlotte: Ja, ja, vor allem das.

AUFTOUREN: Welche sind denn gut?
Charlotte: Im deutschen Untergrund, wobei, ich weiß gar nicht, wie untergründig das war … Die kurze Welle der Band unseres Produzenten, Klez.E, die finde ich richtig stark. Das ist wirklich originell. Tiefe Bilder, die da aufgemacht werden. Klanglich und textlich.
Matze: Man kann auf jeden Fall auf die Bands hinweisen, die auch bei Sinnbus sind.
Charlotte: Absolut! Bodi Bill, Hundreds, I Might Be Wrong. Ter Haar, die lohnen sich auszuchecken!

AUFTOUREN: Was lohnt sich denn so international? Wer beeinflusst euch? All-Time-Favourites?
Matze: Ich habe Alben, die mich schon lange begleiten. Auf jeden Fall von Elliot Smith sehr viele. Ganz besonders „XO“ und „Figure 8“. Dann hab ich ne Platte von Bill Evans, ich glaub, die heißt „Explorations“, ganz großartig. Und das Tord Gustavsen Trio.
Charlotte: Ich hab gar nicht so ne punchy Antwort. Das ärgert mich persönlich gerade. Ich bin aufgewachsen mit Folklore aus verschiedenen Ländern. Mit Irish Folk, skandinavischen Folklore-Liedern, Americana, Blues, Country. Das haben meine Eltern ganz viel gehört. Entsprechend hypnotisch und eingängig fallen auch manchmal meine Kompositionen aus. Ich muss mir echt da mal ne Antwort ausdenken, die auch stimmt. Ach, sagen wir jetzt einfach mal: Die Fiona Apple ist schon ne Gute. Die hör ich immer wieder.

AUFTOUREN: … Frauenfolkpop?
Charlotte: Ja, vor allem aber auch ein Charakter. Und Björk ist die Größte, das kann man nicht anders sagen.

AUFTOUREN: Ich dachte, du würdest vielleicht Feist nennen. Du benutzt manchmal eine ähnliche Gesangstechnik wie sie, die starke Dynamik innerhalb eines Wortes. Leise anfangen, dann laut nach vorn pressen, wieder leiser werden …
Charlotte: Also das war so: Feist ist mit „Let It Die“ in Deutschland raus gekommen und ich hab die Platte gehört und gedacht: „Danke, jetzt kann ich’s nicht mehr machen!“ Das war wirklich unfair. Meine Stimme klingt halt, wie sie klingt. Es ist interessant, dass du sagst, dass es eine Technik ist. Ich glaube, es ist eine Farbe im Zusammenspiel mit einem Stil. Ich habe Anrufe von meiner Familie gekriegt: „Jetzt wirst du endlich im Radio gespielt, hast endlich deine Platte aufgenommen!“ – Ich so: „Ne, das bin ich nicht.“ Es gibt da schon ganz klare Unterschiede. Feist hat eine sehr gefühlvolle, aber letztendlich hauchende, unbauchige Stimme. Und da würde mir was fehlen, wenn ich mich in so einer Art limitieren müsste. Ich brauch das auch, zu brüllen und zu röhren.

AUFTOUREN: Wenn du über deine Kindheit singst, klingst du dabei ziemlich düster …
Charlotte: Der Song, auf den du anspielst, handelt von meinem Elternhaus, was abgerissen worden ist. Das war wirklich eine Oase. Eine Wohngemeinschaft zu den Zeiten, als ich klein war. Und das war absolut prägend. Wie eine Person, die gestorben ist. Im Prinzip gibt es zwei Sorten von Texten bei mir. Einmal wirklich Themen, die mich zerreißen, oder collagenartige Bilder, so stream-of-consciousness-mäßig.

AUFTOUREN: Wie spielst du darein, Matze?
Matze: In der Regel erarbeiten wir Songs gemeinsam, treffen uns im Proberaum, jammen einfach drauf los, ohne irgendeinen Plan. Das passiert Hand in Hand, aber alle Harmonien, Melodien und Texte werden von Charlotte beigesteuert. Ich liefere die Grooves!

AUFTOUREN: Gibt es denn noch ein Leben außerhalb der Musik?
Charlotte: Im Moment nicht mehr.
Matze: Das ist das richtige Leben.

AUFTOUREN: Soll es das auch bleiben für die nächste Zeit?
Charlotte: Man muss immer gucken, wie weit noch alles geht und wie gesund man dabei bleibt. (lacht) Nach der Show ist vor der Show. Aber wir lieben es und wollen es noch jahrelang weitermachen.

Zur Zeit auf Tour mit Einar Stray
19 Feb 2012 Bochum (DE) Urban Urtyp @ Christuskirche Bochum
21 Feb 2012 Potsdam (DE) Ruby’s Tuesday @ Waschhaus

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