Statt einer Plattenkritik zum neuen Album des Liedermachers, Betroffenheitslyrikers und gesichtslosen Künstlers PeterLicht mit dem Titel „Das Ende der Beschwerde“ folgt nun eine Aneinanderreihung subjektiv ausgewählter Textexzerpte, die die Qualität der vorgetragenen Lyrik/Slogans illustrieren soll. Die launischen Kommentare des Autors dienen der Veranschaulichung der Vielschichtigkeit/Verwirrtheit der Zitate und wie diese zum Weiterdenken und/oder Verzweifeln förmlich einladen.

Die Musik bedarf dabei keiner weiteren Erwähnung, handelt es sich doch um den nicht eben genialischen, aber doch angenehmen Versuch, ein deutschsprachiges und radiotaugliches Diskurs-Pop-Album zu schaffen. Diskurs im Sinne von Konsens wie auch Diskurs im Sinne von Diskursivität wie auch Diskurs im Sinne der Thematisierung von Diskursen. Dieser Versuch ist leidlich geglückt und wird von PeterLichts jungenhafter Stimme und dem satten Sound gern getragen, auch wenn dem Album gen Ende und nach den Hits etwas die Luft ausgeht. Das fällt aber nicht weiter ins Gewicht, wenn wir unser Poesiealbum öffnen, Kerzen anzünden und unter dem Poster-Konterfei von Niklas Luhmann beginnen zu schreiben:

„In der Mitte der Meinung eine Meinung […] ein Meinungsklumpen […] Und jede Meinung hat in der Mitte das Frequenzsignal mit der Wortreihe: Hallo!/ Hier/ bin/ ich.“ – Das Schälen der Diskursivitätsbanane bis zum banal kommunizierenden Skelett des jeweiligen Selbst. (Aus: „Sag Mir, Wo Ich Beginnen Soll“)

„Jede Seele hat ihren Verlauf/ Du kannst sie nicht halten/ und ob wer die Augen öffnet oder schließt/ ist eine Frage des Blicks.“ – Augen auf, vor allem im Straßenverkehr!
„Und dein statistischer Blick versinkt […] doch es gibt keine Statistik/ niemand läuft hundertfach durch die Welt.“ – Yeah! Individualismus rocks! (Aus: „Wir Sollten Uns halten“)

„Begrab mein I-Phone an der Biegung des Flusses/ da wo in der Mitte der Gesellschaft eine Kausalkette entspringt.“ – Wie schön holpert doch besagte Kausalkette!
„Ich wüsste niemanden, der sich selbst gehörte/ hat noch niemand jemals von gehört.“ – Wer weiß das nicht?
„Und singt vom Dispo der totalen Liebe!“ – Eine Bringschuld? (Aus: „Begrab Mein iPhone® An Der Biegung Des Flusses“)

„Im freien Fall steigen.“ – Oben wird wie unten sein. (Aus: „Steigen/Fallen“)

„Mit jedem Satz, den ich hier verlier, werd ich weniger wahr./ Mit jedem Wort, das mich hier verlässt, werd ich weniger.“ – Wohl oder übel. Und die Welt? Wann ist das Boot Welt voll?
„Gib mir eine neue Idee: Schaffen wir uns ab!“ – Wer wünscht sich das nicht? (Aus: „Neue Idee“)

„Da, wo die Welt beginnt/ seh ich die Träume enden/ Ich brauch euch nicht mehr/ ihr könnt gehn.“ – Das Wesen der Träume, auf ihre genuine Spielwiese zurückverwiesen. Die armen Kleinen! (Aus: „Meine alten Schuhe (Große Sonne)“)

„Gesellschaft ist toll, wenn nur all die Leute nicht wären.“ – Ohne Zweifel. Ich mag die Menschen, doch ich brauch die Leute nicht.
„Du und dein Leben/ Ihr beide müsst dein Leben ändern./ Wenn ich nur wüsste/ welches Leben ich ändern müsste.“ – Wer und wessen Leben sagt das wem und wessen Leben? Das ist die Frage. (Aus: „Das Ende Der Beschwerde“)

„Die Erfindung des Systems/ ist die Erfindung der Flucht.“ – Kein Innen ohne Außen. Nur: Gelingt die Flucht?
„Wir sind umstellt von den Bauten/ des nicht stattfindenden Lebens.“ – Etwa: 08/15-Breakdance im Neubaugebiet. (Aus: „Fluchtstück“)

„Vergib dem Vergeblichen / und trotte mit dem Trottel!“ – Etwas flapsig, etwas plakativ darfs auch mal sein. (Aus: „Schüttel Den Barmann!“)

„Wir kriegen alle, was wir wolln / was wir uns wünschen sollen / das wünschen wir uns.“ – Amor fati. Wir sind die Roboter. (Aus: „Wir/ Was/ Wir/ Wolln“)

„Und wir gehn durch die Straßen/ und glauben kein Wort / von den Worten, die an den Wänden stehen.“ – Werbewände, Graffitiwände, graue Wände nahmen uns die Schönheit und ließen Zweifel zurück, wo einst Wille zur Liebe war.
„Wir sind frei / Wir sind ein staatenloser, traumloser Staat.“ – Wer gehorcht bitteschön seinen eigenen Gesetzen? Wehe, einer fängt jetzt von der Schönheit des moralischen Gesetzes in uns an, der Mist! (Aus: „Wort Von Den Worten An Den Wänden“)

„Der neue Mensch wird kommen.“ – Seliges Suhlen in siedender Prophetie! Wen wäscht das nicht rein? (Aus: „Der Neue Mensch“)

71

Label: Motor (Edel)

Referenzen: (späte) Blumfeld, Die Sterne, Ja, Panik, Jens Friebe, Foyer Des Arts, Erdmöbel

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VÖ: 28.10.2011

3 Kommentare zu “PeterLicht – Das Ende Der Beschwerde”

  1. Marc sagt:

    Referenzen: (späte) Blumfeld

    +1

  2. Peterchens Lichtfahrt sagt:

    Gerade diese assoziativen, unmelodiösen, diskursiven Texte im Eröffnungs- und Fluchtstück mit den Stichworten „Staat“, „System“ und „Mensch“ erinnern mich persönlich vornehmlich an die frühen Blumfeld.

  3. Oh ja, das erste Stück und das Fluchtlied verweisen eher auf die frühen Blumfeld, das stimmt. Nur ohne die lyrische Wucht eines Distelmeyer. Aber der Rest erinnerte mich eher an die späteren Blumfeld bzw. die mittleren, nur in einer Light-Variante. „Neue Idee“ und das Titelstück etwa. Leider konnte ich trotz aufrichtigen Bemühens keine nicht-deutschsprachige Referenz für die PeterLicht-Platte finden… Zu eigen sind die Worte dafür dann doch, wenn auch auf nicht ganz tiefgründiger Ebene, sondern eher so feuilletonistisch unbestimmt tiefgründig. Aber das kann man an den Zitaten ja auch in etwa erkennen.

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