„Give me some love!“ „This is my nightmare!“ „My whole world’s coming apart!“ Das ist schon fast der ganze Text eines Songs von „Love Is Real“. Auf seinem letzten Album benötigte John Maus wenige Worte, um ein mitreißendes Pop-Porträt der Einsamkeit mit drohendem Nervenzusammenbruch zu zeichnen.

Getreu des Beschneidungsmottos seines neuen Werkes „We Must Become The Pitiless Censors Of Ourselves“ braucht man von diesem erst recht keine ausufernden Monologe zu erwarten, auch die extremen Produktions- und Stimmungsschwankungen der Vergangenheit haben sich nivelliert. Wo man heutzutage an jeder Blog-Ecke Lo-Fi-Synthpop nur so hinterhergeschmissen bekommt, hebt sich Maus‘ Drittling von der breiigen Masse mit einer Tiefenpolitur ab, an der er über zwei Jahre lang rumgefeilt hat.

Nicht, dass man das Eröffnungsstück „Streetlight“ mit einer charttauglichen Pop-Produktion verwechseln könnte: Schwer verständlich hallen seine ineinandergeschobenen Vocals unter einem impulsiven Arpeggio, anderswo sind die Maschinendrums noch weitaus trashiger komprimiert als hier, aber der Raum, den sie einnehmen, ist von einer bisher ungekannten Dimension. In bezaubernder Breite und Tiefe zelebriert Maus die (Melo-)Dramatik des Synthesizers, brummig beschwört sein Baritongesang „Heart to heart, mind to mind, we are the ones who will travel through time“, bis flirrende Oszillation den Song durchschneidet. Traumhaft delikat dagegen „Hey Moon“, in dem er naturromantisch ein Duett mit der Originalinterpretin Molly Nilsson anstimmt, sanft von Glockentönen umspült und umschmeichelt von weich streichenden Wellen mutet die Ode an das Firmament wie ein Kinderlied an.

Ein krasser Unterschied zur manisch-intensiven Liveshow des Mannes, in der er kathartisch zu Halbplayback die Grenzen der Alltagsmonotonie aufzubrechen sucht. Ähnlich fordert er im düsteren „Copkiller“ zu Miniatur-Trancebänken mit verstörend gefühlsarmem „Kill every cop inside“ nicht zur Gewalt gegen reale Ordnungshüter auf, sondern zum Abschaffen freiheitshinderlicher Hirnbarrieren, anderswo feuern „We Can Break Through“ und „Keep Pushing On“ zur Überwindung an. Die Rauschreste in letzterem Song, der wie aus einer alten Aufnahmephase wirkt, deuten allerdings an, dass Maus den Sprung auf ein neues musikalisches Niveau noch nicht so recht geschafft hat. Auch verzerrt unsaubere Abmischung manches Detail und bei aller Interpretationslust, die Maus inspiriert, nutzt „Matter Of Fact“ sich doch bald ab wenn dessen Vocals nicht mehr hergeben als ein albern mantrahaftes „Pussy is not a matter of fact“, ohnehin ist der Songbeginn kaum mehr als eine Wiederholung des Goblinesken „Tenebrae“ vom Vorgängeralbum.

Doch derlei Makulatur ist am Ende von „We Must Become…“ bald vergessen, denn als wäre „We Can Break Through“ noch nicht sternenwolkig genug, bietet das finale „Believer“ eine üppige Pracht aus kaskadierenden Lichttreppen, hallenden Glocken jeglicher Größe und Maus, niemand geringeres als Jackie Chan beschwörend in einem Aufruf, den ihm in dieser Intensität so schnell keiner nachmacht.

78

Label: Upset The Rhythm

Referenzen: Ariel Pink’s Haunted Graffiti, Greatest Hits, Geneva Jacuzzi, The Associates, Pet Shop Boys

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VÖ: 24.06.2011

5 Kommentare zu “John Maus – We Must Become The Pitiless Censors Of Ourselves”

  1. […] Mehr: Mausspace, Spex, ByteFM, AufTouren […]

  2. […] mitunter den faden Beigeschmack esoterischen New-Age-Flairs transportieren. Plötzlich glaubt man, John Maus und sein zugegebenermaßen etwas  aufgebauschtes “Truth of Pop”-Konzept deutlich […]

  3. […] mit dem Erscheinen seines, von den Kritikern überwiegend gelobten, dritten Longplayers „We Must Become The Pitiless Censors Of Ourselves“ sicherlich um einiges gewachsen sein dürfte und wohl nicht jeder im Mausspace aktiv ist, […]

  4. […] die ersten Schritte zu einem neuen eigenen Trademark setzen – ein Phänomen, das bei John Maus in ähnlicher Weise zu betrachten ist. Damit verbunden zeigt „GEM“ Meghan Remy erstmals als […]

  5. […] zum Beispiel Panda Bear, Stephen Malkmus & The Jicks, Shabazz Palaces, Bill Callahan, Iceage, John Maus, Zola Jesus, Low, Okkervil River oder Zomby, um mal einige zu […]

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