Konzertbericht: Grizzly Bear und St. Vincent in der Kulturkirche in Köln (19.11.09)

Als Grizzly Bear im Jahre 2006 nach dem Einstieg von Daniel Rossen ihr bezauberndes Zweitwerk „Yellow House“ veröffentlichten, zog die Band noch nahezu ungeachtet in sorglosem Schwebezustand vorüber. Wie ein herbstlicher, gelber Lichtstrahl, der durch das dünne Fensterglas fällt und der Wohnung Licht und Wärme spendet, den so manch blinzelndes Aug´ aber nur schemenhaft erkennen kann. Niemals greifbar, zu keiner Zeit Gefahr laufend, in den gierig grabschenden Klauen der heißhungrigen Glamour-Welt zermalmt zu werden. Vieles schien damals möglich für das Quartett aus Brooklyn, das dem eh schon herrlich bunten Warp-Roster nochmals deutlich mehr Farbvielfalt verlieh, die Vertonung eines bekannten Werbespots aber sicher nicht, das Knacken der Top10 der US-Billboardcharts noch viel weniger. Drei Jahre und ein Album später hat die Abendkasse geschlossen, die Halle, in dem Fall eine Kirche, ist voll. Einige müssen von draußen lauschen.

Zunächst betritt Annie Clark alias St. Vincent die dunkle Bühne, halb im Hintergrund stehend ist sie umringt von Mikrophonen, Pedalen und Elektronik, die an diesem Abend als ihre Begleitband fungiert. Das Multitasking, das neben dem ständigen Wechsel zwischen diesen Stationen natürlich auch noch ihr Gitarrenspiel beinhaltet, bewältigt Clark souverän und auch in dieser weniger klangreichen Aufführung entfalten die Songs, überwiegend von ihrem zweiten Album „Actor“ stammend, eine atmosphärische Dichte, dass man nichts dagegen hätte wenn die Headliner/Support-Reihenfolge vertauscht worden wäre. Ganz im Licht des Mikrophons steht Clark ohne Drum Machine oder andere Begleitung bei ihrer Akustikfassung von „Actor Out Of Work,“ bei dem sie stimmlich die Rolle des dissonant einfallenden Saxophons übernimmt, zum umso beathaltigeren „Marrow“ führt sie beim Spielen eine Art Robottanz auf während ihre Stimme nur allzu menschlich um „H-E-L-P“ bittet. Weitere Highlights sind das halb gehauchte, halb gesungene „Just The Same But Brand New“ und das Finale „The Party,“ bei dem sie von Daniel Rossen an der Gitarre unterstützt wird, wobei nach diesem kurzen aber schwer beeindruckenden Auftritt klar ist, dass Clark auch im Alleingang zu überzeugen weiß.

Der kleine, aber merkliche Schritt Richtung Pop, der mit „Veckatimest“ einherging, hat sich bisher ungemein bezahlt gemacht. Ohne sich zu sehr angreifbar zu machen, haben Grizzly Bear die Koordinaten ein wenig verschoben, die Songs erscheinen strukturierter, das Publikum zieht von Beginn an mit. Ungewöhnlich euphorisch werden die ersten Stücke „Southern Point“, „Cheerleader“ und „Fine For Now“ des aktuellen Werks aufgenommen, gar frenetisch der Jubel zwischen den Songs, druckvoll und vor allem laut der Sound. Ed Droste, den seine frühere Kölner Vergangenheit zuweilen einholt, kommuniziert mit dem Publikum und macht deutlich, dass ihm dieser Moment in der Kölner Kulturkirche sehr am Herzen liegt.

Die Bühne, von unzähligen umfunktionierten, leuchtenden Einmachgläsern umrandet, verwandelt sich mal in mystisches Blau, kurze Zeit später in warmes Rot, Gemütlichkeit wird groß geschrieben an diesem Abend. Als dann nach „Knife“ und „Deep Blue Sea“, ihrem beachtenswerten Beitrag auf „Dark Was The Night“, zum Ende der vorderen Hälfte des Sets die ersten Töne von „Two Weeks“ ertönen, wird klar, warum das Hit-Potential längst auch den Entscheidungsträgern der Werbebranche nicht verborgen geblieben ist. Grizzly Bear kommen dabei ohne jegliche Posen aus. Insbesondere der auch live so formidable, mehrstimmige Gesang verdeutlicht die Homogenität dieser Truppe, die ihre Stärken als Kollektiv ausspielt, so dass auch „Colorado“, das Schlussstück von „Yellow House“, live noch eine Schüppe draufzulegen weiß. Dies gilt in ganz besonderem Maße auch für das famose „Foreground“, das mit Hilfe des Kirchenflairs für eine geradezu andächtige Stimmung sorgt. Und wird diese mit dem Crystals-Cover „He Hit Me“ erst noch sanft aufgebrochen, gibt es danach bei „While You Wait For The Others“ den krachenden Höhepunkt eines Konzertes, das mit einer nahezu rein akustischen und von Chorgesängen getragenen Version von „On A Neck, On A Spit“ als letzte Zugabe so viel Zufriedenheit zurücklässt, wie man sie selten erlebt in diesen Tagen.

Text zu St. Vincent (2. Absatz) von Uli Eulenbruch.

3 Kommentare zu “Konzertbericht: Grizzly Bear und St. Vincent in der Kulturkirche in Köln (19.11.09)”

  1. […] bedienten Loop- und Effektgeräten bestand der letzte Auftritt von St. Vincent in Köln vor exakt zwei Jahren, als sie am Bühnenrand der Kulturkirche der nachfolgenden Hauptattraktion Grizzly Bear […]

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